HEPPENHEIM - Das hat sich doch gelohnt: Etliche Kubikmeter Müll stapeln sich am Aufgang zum ehemaligen Synagogengelände: Gartenschläuche, Gießkannen, Säcke mit Kleinabfällen, Farbeimer, Glasscheiben, Alteisen und Altholz, Hohlblocksteine und Kanister mit Uraltchemikalien. Was nicht gesondert zu entsorgen ist, fliegt gleich in einen Container, den die Bauhofmitarbeiter am Starkenburgweg in Heppenheim aufgestellt haben. Kurt Vettel, der stellvertretende Vorsitzende der am 15. Juli 2016 gegründeten Bürgerstiftung, und seine Mitstreiter sind zufrieden: Ihr erster Arbeitseinsatz am Samstag war ein Erfolg: Ziel war es, das 3500 Quadratmeter große Grundstück so weit aufzuräumen, dass zu erkennen ist, was noch an originaler Bausubstanz und Gehölzen gerettet werden soll.
Die Bauhofmitarbeiter hatten schon zuvor Büsche, Efeu- und Brombeerranken gestutzt. Am Samstagmorgen hatten dann Vettel und seine 15 bis 20 Helfer – Aktive der Bürgerstiftung, Jahrgangskameraden, Freunde und weitere Freiwillige – das Areal in Augenschein genommen, die Bauhandschuhe übergestreift und die Ärmel hochgekrempelt.

Bürger für Bürger

Artikel von Sigrid Jahn zu Aufräumaktion des Stiftungsgeländes am Starkenburgweg - Die Bürgerstiftung Heppenheim dient dem Gemeinwohl der Bürger der Kreisstadt Heppenheim. Ihnen sowie ortsansässigen Unternehmen und Vereinigungen soll durch die Stiftung Gelegenheit gegeben werden, sich aktiv an der Entwicklung der Stadt und dem Zusammenleben der Menschen zu beteiligen, heißt es in der Präambel der Satzung. Kurt Vettel: „Es geht darum, etwas auf die Beine zu stellen, was uns allen nutzt und Freude bereitet.“ Unterstützer sind immer willkommen: „Bei uns ist noch viel Platz für kleine und große helfende Hände, für junge und ältere kluge Köpfe mit guten Ideen, für weibliche Logik und männliche Intuition, aber auch für schmale und dicke Geldbeutel!“

Zunächst war es daran gegangen, ein marodes, aber fest im Boden verankertes Gewächshaus abzubauen, was sich als harte Nuss erwies, denn hier hatte sich der Zahn der Zeit ordentlich zu schaffen gemacht. Ein Gartenhäuschen – das abgerissen werden soll – wurde entrümpelt, ebenso ein zweites freistehendes Bauwerk, die frühere Sanitäranlage der Synagoge. Diese bleibt erhalten, wie der geräumige Gewölbekeller unterhalb des Geländes, den die Gemeinde zur Lagerung ihrer Vorräte genutzt hat. Auch Trittsteine, Mauern und Teile des Fundaments, die Brandschatzung und Sprengung des jüdischen Gotteshauses in der Pogromnacht des 10. November 1938 überstanden haben, sollen die Erinnerung an die vertriebenen und ermordeten Mitbürger wachhalten.

Zudem haben sich weitere Artefakte auf dem Gelände gefunden, so ein verwitterter, behauener Block mit der Jahreszahl 1671, der eventuell der Starkenburg zuzuordnen ist. Ferner eine weitere Steinmetzarbeit, die wie der Schlussstein des Synagogenportals anmutet. Beide Elemente hatten Kurt Vettel und Michael Tiegelkamp bei einer früheren Begehung aufgespürt, sie harren der genaueren Begutachtung. Monika Gerz konnte am Samstag noch ein drittes Fundstück beisteuern: ein vermutlich originalgetreues Fenster vom Synagogenensemble. Auch hier sind die Experten gefragt.

Wobei der Gewölbekeller – er ist laut einem ersten Gutachten gut erhalten und nicht einsturzgefährdet – noch einige Geheimnisse bergen könnte. Denn an der hinteren Begrenzung sind ein Türsturz und ein eventuell nachträglich eingefügter und wieder verschlossener Durchbruch im Mauerwerk auszumachen.

„Es ist noch ein langer Weg“, sagte Kurt Vettel, denn die zukünftige Gestaltung und Nutzung des ehemaligen Synagogengeländes müsse wohl überlegt sein und dürfte bis zum Abschluss des Vorhabens sicherlich noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Die Stadt Heppenheim hat das 2015 erworbene Areal am 17. Januar der Bürgerstiftung notariell übertragen, die laut Paragraf 2 Absatz 2 der Satzung „die Denkmalpflege durch den Erwerb und die Verwaltung des Synagogengrundstücks und der daran angrenzenden Grundstücke am Starkenburgweg verwirklicht“ mit der Maßgabe, dass die Unterhaltung deren historische Bedeutung berücksichtigen müsse.

Vettel und seine Mitstreiter haben eine Arbeitsgruppe namens „Projekt Synagogengelände“ ins Leben gerufen, die es übernehmen wird, in den nächsten Monaten ein Nutzungskonzept zu erstellen. Ideen gibt es schon, auch für weitere Vorhaben im ehrenamtlichen Engagement, die unter anderem von der Förderung kultureller oder sportlicher Projekte über Umwelt- und Naturschutz bis zur Brauchtums- und Heimatpflege reichen.

Quelle:  Echo Online/lokales/bergstrasse/heppenheim